Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

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atari_vs_amiga_spiele [2016/12/07 09:49]
atari_vs_amiga_spiele [2016/12/27 14:57] (aktuell)
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 +~~HIDEPAGE~~
 +
 +====== Atari vs. Amiga ======
 +
 +Fragt man Computernutzer von damals nach der prägendsten Software dieser Epoche, so
 +dürfte die einhellige Antwort //Turrican II// lauten. Das Spiel war über Jahre hinweg der
 +Referenztitel im Bereich der 16-Bit-Actionspiele und hatte für Amiga-Besitzer eine
 +Strahlkraft wie Sonic für Sega und Mario für Nintendo. Das liegt zu gleichen Teilen
 +am Game- und Level-Design von Manfred Trenz, der das Spiel
 +zeitgleich für den Commodore 64 entwickelte, und an der souveränen technischen Umsetzung durch
 +//Factor 5//, die den Kölnern die Tür in die internationale Software-Industrie öffnete.
 +Das Spiel ist nicht zuletzt auch in die Annalen der Amiga-Geschichte eingegangen
 +dank des Soundtracks von Chris Hülsbeck. Ohnehin waren die Sound-Fähigkeiten des
 +Amigas aufgrund des verbauten Paula-Customchips für andere Rechner auf Jahre hinaus
 +unerreichbar, auch in Bezug auf die Diversität der produzierten Musik. Ein Commodore 64-
 +Soundtrack (oder allgemeiner: Musik der 8-Bit-Ära) hat immer die gleichen klanglichen
 +Eigenschaften, auch wenn sich die Kompositionen natürlich stilistisch vollkommen
 +unterscheiden können. Der Amiga dagegen hat keinen beim ersten Hinhören eindeutig
 +distinguierbaren Sound. Die Technik erreichten einen Stand, in der das Kunstwerk
 +in seiner Ausführung unabhängiger vom Trägermedium wurde. Dass es grundsätzlich ein
 +Bewusstsein dafür gab, und Computer-Musiker erstmals nicht als
 +Lieferanten für bloßes Hintergrundrauschen verstanden wurden, sondern als Künstler, die
 +nicht an ein bestimmtes Medium (eben den Computer) gebunden waren, zeigen die ersten
 +CDs, die in dieser Zeit erscheinen. Szene-Stars, wie Jochen Hippel (im
 +Wesentlichen aktiv auf dem Atari ST) und eben Hülsbeck, präsentieren im Studio aufgebohrte Versionen
 +ihrer besten Werke. Umgekehrt werden Chart-Erfolge lizenziert für
 +Spiele wie //Xenon 2 – Megablast// (Bitmap Brothers, 1989, Musik von //Bomb The Bass//) oder
 +//Ooops Up// (Demonware, 1990, Musik von Snap). Überholt wurde der Amiga-Sound erst,
 +als es durch CD-ROMs möglich wurde, Musik in CD-Qualität zuzuspielen. Dies geschah erst gegen 1993, in etwa sechs Jahre nach dem Amiga-Debüt; für eine unverändert gebliebene Hardware eine beeindruckende Zeitspanne.
 +
 +Der Atari ST hingegen hatte als unschlagbares Argument für Musiker eine eingebaute
 +MIDI-Schnittstelle, die den ST mit Programmen wie //Cubase// bereits ab 1989 zu einem sehr preisgünstigen
 +und beeindruckend intuitiven Studio-Tool machte.
 +Ansonsten fällt der ST im Spielebereich gegenüber dem Amiga spürbar ab; //Turrican II//
 +bietet sich für einen direkten Vergleich an, da beide 16-Bit-Versionen von //Factor 5// in-house
 +entwickelt wurden, von einem Team also, das zum damaligen Zeitpunkt in der Presse wie
 +auch bei den Fans als unschlagbar auf dem Gebiet der 16-Bit-Actionspiele galt, von dem
 +man also erwarten kann, dass es das jeweils Bestmögliche aus den beiden Maschinen
 +herausholt. Tatsächlich wurden Sprites und Tiles 1:1 auf den ST portiert, ansonsten
 +aber ist die Grafik dort spürbar schwächer, da z. B. nicht auf die Copper-Effekte
 +zurückgegriffen werden konnte, die auf dem Amiga für die Hintergründe der ersten Welt
 +verwendet wurden. Auch umfasst die sichtbare Spielfläche nur ca. 70% des Bildes der
 +Amiga-Version. Auf der Tonebene fehlen zahlreiche Soundeffekte, die Arrangements sind
 +vereinfacht und die Instrumente weniger organisch als in der Amiga-Version (die
 +Ausnahme ist der Titelsound, der – offenbar über Samples – weitestgehend auf den ST
 +hinübergerettet wurde).
 +
 +Der Vergleich zwischen Amiga und Atari ST ist deswegen so interessant, weil er nicht nur die
 +technischen Möglichkeiten der beiden Rechner aufzeigt, sondern auch ein Stück
 +Spielerkultur dieser Zeit beleuchtet. Man kann nicht über 16-Bit-Rechner reden, ohne die
 +aus heutiger Sicht absurd wirkende Rivalität zwischen Atari- und Amiga-Besitzern anzureißen.
 +Eine wichtige Quelle dafür sind die Spielezeitschriften -- insbesondere die ASM --, deren
 +Leserbriefseiten ein Forum für über Monate geführte Diskussionen waren, eben auch zu
 +diesem Thema.
 +
 +An //Turrican II// lassen sich zwei weitere Eigenheiten der 16-Bit-Ära festmachen: Das Spiel
 +hatte bereits damals einen legendären Ruf, was es nur haben konnte, weil das Interesse an
 +Computerspielen eine kritische Masse erreicht hatte, die eine eigene Kultur entstehen ließ, mit
 +eigenen Zeitschriften, Messen und einem florierenden, schnelllebigen Markt für neue Spiele
 +(diese Einordnung ist eine rein zeitliche und betraf nicht nur 16- sondern auch 8-Bit-Rechner).
 +An den Verkaufszahlen von //Turrican II// lässt sich andererseits ablesen, dass sich weite Teile der
 +Nutzer [[Raubkopien Cracks Produktpiraterie|Raubkopien]] bediente. Die CPC-Version z. B. wurde,
 +laut //Factor 5//, im dreistelligen Bereich verkauft. Die Zahlen für die 16-Bit-Versionen werden
 +deutlich besser gewesen sein, dürften aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein.
 +//Factor 5// wollte aus diesem Grund //Turrican 3// nur noch für das Sega Mega Drive entwickeln
 +und produzierte eine Amiga-Version nur als Zugeständnis an die Fans – was wiederum die Relevanz der
 +Spieler-Kultur unterstreicht.
 +
 +Andere 16-Bit-Rechner neben dem Amiga und Atari ST (wie der Archimedes oder Sinclair QL) waren
 +in Deutschland Randerscheinungen und nehmen weniger Raum ein.
 +
 +Dass die Halle auch 8-Bit-Nachzügler Mitte der 1980er beinhaltet passt gut ins Bild, da sich vieles von
 +dem, was Spielkultur betrifft, nicht exklusiv auf die 16-Bit-Rechner beschränkt,
 +sondern auch auf die 8-Bit-Rechner überträgt.